Auf vielen Feldern gerieren sich Rechte als die wahren Kritiker:innen von Eliten, Institutionen und Gesellschaft. Ihre autoritären und nicht selten faschistoiden Ideen und Praktiken sind nicht immer so offensichtlich wie bei Trump und Co. Manchmal braucht es Aufwand, um sie offenzulegen. So haben wir es im Feld der „Kritischen Psychotherapie“ gemacht, das Martin Wendisch mit einem in weiten Teilen rechtsextremen Narrativ okkupieren wollte. Wir haben als Gruppe „Kritische Psychotherapie Köln/Bonn“ seinen herausgegebenen Sammelband analysiert und die verschwörungsideologischen, antifeministischen und strukturell antisemitischen Argumentationsfiguren herausgearbeitet. Der Verlag nahm das Buch daraufhin vom Markt und kündigte den Herausgebervertrag.
Der Herausgeber schlug zurück – aber nicht mit Argumenten. Er überzog unsere Gruppe mit einem Prozessmarathon. Drei Jahre und fünf Urteile später war klar, dass der Angriff auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit abgewehrt werden konnte. Wäre umgekehrt M. Wendisch mit seiner Klage durchgekommen, wäre die Botschaft verheerend gewesen: Wer sich mit Rechten anlegt, muss damit rechnen, abgemahnt oder verklagt zu werden, was am Ende die berufliche und finanzielle Existenz gefährden kann. Im Wendisch-Falle war es gut, dass nicht Psychotherapeut:innen in Ausbildung die psychische und finanzielle Prozesslast tragen mussten, sondern eine ökonomisch etablierte Person – unterstützt durch die ganze Gruppe und einer breiten (auch finanziellen) Solidarität – sich dem Angriff entgegenstellen konnte. Durch den hohen Streitwert und die beantragte Strafe (250.000€ oder 6 Monate Haft) gab es jedoch einen hohen Druck und zwischenzeitlich Überlegungen, diesem nachzugeben. Doch mit exzellenter anwaltlicher Vertretung konnten wir durchhalten und letztlich durchsetzen, was selbstverständlich sein sollte: öffentlicher kritischer Meinungsstreit.
Die Massivität der Bedrohung veranlasste Expert:innen der NO-SLAPP-Anlaufstelle dazu, unseren Fall als Beispiel für einen Einschüchterungsprozess zu bewerten. SLAPP steht für “Strategic Lawsuits Against Public Participation” und lehnt sich an das englische „slap“ für „Ohrfeige” an. Dabei geht es um die Einschüchterung kritischer Stimmen mittels rechtlicher Schritte: Abmahnungen bis hin zu aufwändigen Gerichtsverfahren, die von Unternehmen, ressourcenstarken Einzelpersonen sowie unethisch handelnden politischen Akteur:innen zur Abschreckung der kritischen Öffentlichkeit eingesetzt werden. Für die Unterstützung durch die NO-SLAPP-Aktivist:innen sind wir sehr dankbar.
Quellen:
Der Prozess: https://kritische-psychotherapie.de/kritik-von-rechtsaussen/
Der SLAPP-Fall: https://www.noslapp.de/neuigkeiten/fallbesprechung-kritische-psychotherapie