Wie hängen die aktuellen Existenzunsicherheiten von Pandemie, Klimakrise und Krieg mit neoliberalen Glaubenssätzen zusammen und schreiben sich in individuelle Strukturen ein? Regressive Prozesse, die sich unter Angst intensivieren, führen zu Rückzug, Apathie und Passivität einerseits, andererseits aber auch zu populistischem Agieren. Die Dynamiken, die hier wirksam sind und die vor allem Schuld, Scham und Angst vor dem Zusammenbruch abwehren sollen, werden beschrieben und auf die drei wichtigsten aktuellen Krisen (Pandemie, Klimakrise und Krieg) bezogen.
Psychotherapie-Kritik von rechts
In der BRD orientiert sich die Psychotherapieforschung an einem naturwissenschaftlichen Methodenverständnis. Dieses hat zur Folge, dass für Praktiker*innen wichtige Fragen sowohl in Forschung als auch in sozialrechtlichen Entscheidungen über die Anerkennung von Therapieverfahren nur unzureichende Berücksichtigung finden. In jüngerer Zeit werden derartige berechtigte Kritiken von Rechts aufgegriffen und in ein reaktionäres und teilweise auch rechtsextremes Weltbild integriert. In dem Vortrag soll diese Tendenz anhand eines Sammelbandes illustriert werden.
Funktion der Psychotherapie in der Krise
Warum waren in der Geschichte westlicher Gesellschaften noch nie so viele Menschen davon überzeugt, dass der Psyche eine zentrale Rolle für ein glückliches Leben zukommt? Wie ist es der Psychotherapie gelungen, sich für jedes nur vorstellbare Problem – meistens jenseits schwerer psychischer Erkrankung – als Expertin zu positionieren? Der Vortrag zeichnet die Genese der individuellen Psyche nach und weist die Psychotherapie als wesentlichen Baustein der neoliberalen Regierungsform im Sinne Michel Foucaults aus. Dadurch soll sich ihre Funktion in der Krise erschließen.
Grenzen einer Politisierung von Psychotherapie
In der operationalisierten psychologischen Forschung spielen die Perspektiven der Subjekte auf ihre Situation und ihre Therapie nur eine untergeordnete Rolle. Die Vernachlässigung qualitativer Forschung zugunsten quantitativer Erhebungen verweist auf die Notwendigkeit anderer, subjektwissenschaftlicher Forschungsansätze. Doch nicht nur die Perspektiven der einzelnen Subjekte werden tendenziell ausgeblendet, sondern auch die strukturellen Machtverhältnisse, mit denen diese konfrontiert sind. Stattdessen werden im Rahmen von Psychotherapien auftretende Krisen meist als bloß individuelle Krisen verstanden. Wie emanzipatorisch kann Psychotherapie unter diesen gegebenen Bedingungen sein?
Kritisches psychotherapeutisches Arbeiten
Welche Rolle spielt es, wenn die psychosoziale Arbeit mit Geflüchteten nicht in der gesundheitlichen Regelversorgung, sondern in spenden- und projektgeldfinanzierten psychosozialen Zentren stattfindet? Welche Auswirkungen hat es hierbei, wenn Geflüchtete in diesen größtenteils auf Professionelle ohne Fluchtgeschichte treffen? Anhand der Arbeitsweise im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf beleuchtet die Referentin, ob im Spannungsfeld zwischen restriktiver Flüchtlingspolitik, institutionalisiertem Rassismus und unsicherer Finanzierungsgrundlage kritisches psychotherapeutisches Arbeiten möglich sein kann.
Psychotherapie im Kontext von Armut und Emotionsarbeit
Eine emanzipatorisch intendierte Psychotherapie hat den Anspruch nicht nur die therapeutische Beziehung machtkritisch zu gestalten, sondern auch gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse auf eine hilfreiche Weise zu thematisieren, sodass sowohl Handlungseinschränkungen als auch Handlungsmöglichkeiten sichtbar werden. Am Beispiel einer Ausbildungstherapie mit einer Flugbegleiterin soll das Zusammenspiel von Beziehungskonflikt, biografisch-beruflichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Strukturen diskutiert werden.
Psychotherapie als problematische Praxis
Psychotherapie ist eine anerkannte Form der Behandlung seelischen Leidens, die im Gesundheitssystem unserer Gesellschaft weithin präsent und stabil institutionalisiert ist. Es gibt zahlreiche therapeutische Schulen, störungsspezifische Behandlungskonzepte und umfassende Forschung etwa zur Wirksamkeit einzelner Ansätze. Über fachliche Kontroversen hinaus lässt sich auch grundsätzliche Kritik in Bezug auf „Psychotherapie“ und ihre Funktion in unserer Gesellschaft formulieren.