Hiermit möchten wir euch alle gerne zur Tagung vom 3. bis 5. November 2023 an die Uni Köln einladen, um zusammen den Diskurs um mögliche emanzipatorische therapeutische Praxisansätze voranzutreiben.
28.03.2023: Psychotherapie im Kapitalismus
Nach einem kurzen Überblick über die Umstände, welche unsere Gesellschaft heute maßgeblich prägen – Produktionsverhältnisse und Subjektivierungsprozesse – soll die Rolle der Psychotherapie in diesem Gefüge reflektiert werden. Diese hat, so die These, als zentrale Institution in der westlich-kapitalistischen Gesellschaft, paradoxerweise eine Funktion, welche die Bedingungen für Leiden stützt, indem sie gesellschaftliche Konflikte individualisiert und kaum erfüllbare Subjektideale reproduziert. Die Psychotherapie steht daher in der Verantwortung, sich mit eben diesen Prozessen auseinanderzusetzen, mit dem Horizont „[…] alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Karl Marx).
07.03.2023: Das Heilsversprechen der Gruppe
Der Vortrag befasst sich mit drei Gruppen, die in den vergangenen Monaten auf Veranstaltungen der Kölner linken und/oder Techno-Szene durch sektenartige, esoterische, übergriffige und/oder neurechte Geisteshaltungen und Handlungen aufgefallen sind. Elementarer Bestandteil des jeweiligen Selbstverständnisses der Gruppen sind psychologische Selbstverwirklichungs- und Heilungsnarrative. Sie berufen sich auf Theorieelemente, die meist Bezüge zu psychologischen Wachstums-, Gestalt- und Achtsamkeitsansätzen aufweisen.
Handlungsfähigkeit in Zeiten der Krise

In unserer letzten Veranstaltung legen wir den Fokus auf Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit. Wir möchten den Raum für aktive politische Gruppen eröffnen, die auf bestehende Missstände im System herrschender kapitalistischer Strukturen und Formen von Unterdrückung und Benachteiligung aufmerksam zu machen. Gruppen, welche sich durch ihre Arbeit aus eben solchen Verhältnissen emanzipieren und zu Veränderungen bestehender Strukturen beitragen. Die Vertreter:innen der Gruppen werden Ihre Arbeit vorstellen sowie die Gründe für die Gründung der Gruppe und deren Ziele.
Existenzangst und Unsicherheit im neoliberalen Kapitalismus

Wie hängen die aktuellen Existenzunsicherheiten von Pandemie, Klimakrise und Krieg mit neoliberalen Glaubenssätzen zusammen und schreiben sich in individuelle Strukturen ein? Regressive Prozesse, die sich unter Angst intensivieren, führen zu Rückzug, Apathie und Passivität einerseits, andererseits aber auch zu populistischem Agieren. Die Dynamiken, die hier wirksam sind und die vor allem Schuld, Scham und Angst vor dem Zusammenbruch abwehren sollen, werden beschrieben und auf die drei wichtigsten aktuellen Krisen (Pandemie, Klimakrise und Krieg) bezogen.
Psychotherapie-Kritik von rechts

In der BRD orientiert sich die Psychotherapieforschung an einem naturwissenschaftlichen Methodenverständnis. Dieses hat zur Folge, dass für Praktiker*innen wichtige Fragen sowohl in Forschung als auch in sozialrechtlichen Entscheidungen über die Anerkennung von Therapieverfahren nur unzureichende Berücksichtigung finden. In jüngerer Zeit werden derartige berechtigte Kritiken von Rechts aufgegriffen und in ein reaktionäres und teilweise auch rechtsextremes Weltbild integriert. In dem Vortrag soll diese Tendenz anhand eines Sammelbandes illustriert werden.
Funktion der Psychotherapie in der Krise

Warum waren in der Geschichte westlicher Gesellschaften noch nie so viele Menschen davon überzeugt, dass der Psyche eine zentrale Rolle für ein glückliches Leben zukommt? Wie ist es der Psychotherapie gelungen, sich für jedes nur vorstellbare Problem – meistens jenseits schwerer psychischer Erkrankung – als Expertin zu positionieren? Der Vortrag zeichnet die Genese der individuellen Psyche nach und weist die Psychotherapie als wesentlichen Baustein der neoliberalen Regierungsform im Sinne Michel Foucaults aus. Dadurch soll sich ihre Funktion in der Krise erschließen.
Grenzen einer Politisierung von Psychotherapie

In der operationalisierten psychologischen Forschung spielen die Perspektiven der Subjekte auf ihre Situation und ihre Therapie nur eine untergeordnete Rolle. Die Vernachlässigung qualitativer Forschung zugunsten quantitativer Erhebungen verweist auf die Notwendigkeit anderer, subjektwissenschaftlicher Forschungsansätze. Doch nicht nur die Perspektiven der einzelnen Subjekte werden tendenziell ausgeblendet, sondern auch die strukturellen Machtverhältnisse, mit denen diese konfrontiert sind. Stattdessen werden im Rahmen von Psychotherapien auftretende Krisen meist als bloß individuelle Krisen verstanden. Wie emanzipatorisch kann Psychotherapie unter diesen gegebenen Bedingungen sein?
Kritisches psychotherapeutisches Arbeiten

Welche Rolle spielt es, wenn die psychosoziale Arbeit mit Geflüchteten nicht in der gesundheitlichen Regelversorgung, sondern in spenden- und projektgeldfinanzierten psychosozialen Zentren stattfindet? Welche Auswirkungen hat es hierbei, wenn Geflüchtete in diesen größtenteils auf Professionelle ohne Fluchtgeschichte treffen? Anhand der Arbeitsweise im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf beleuchtet die Referentin, ob im Spannungsfeld zwischen restriktiver Flüchtlingspolitik, institutionalisiertem Rassismus und unsicherer Finanzierungsgrundlage kritisches psychotherapeutisches Arbeiten möglich sein kann.
Psychotherapie im Kontext von Armut und Emotionsarbeit

Eine emanzipatorisch intendierte Psychotherapie hat den Anspruch nicht nur die therapeutische Beziehung machtkritisch zu gestalten, sondern auch gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse auf eine hilfreiche Weise zu thematisieren, sodass sowohl Handlungseinschränkungen als auch Handlungsmöglichkeiten sichtbar werden. Am Beispiel einer Ausbildungstherapie mit einer Flugbegleiterin soll das Zusammenspiel von Beziehungskonflikt, biografisch-beruflichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Strukturen diskutiert werden.